Gruppenintelligenz digital fördern – Teamcoaching im Onlinezeitalter

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Mag. Thomas Spielhofer, Co-Founder von Y Unternehmensberatung, Kooperationspartner von brainability & Dr. Peter Krummenacher, Founder von brainability 

Gruppenintelligenz digital fördern – Teamcoaching im Onlinezeitalter

Die gute Seite der Datenmacht – Daten sozial wertvoll nutzen

Das digitale Zeitalter mit seinen neuen Formen der Zusammenarbeit braucht neue Formen der Teamentwicklung. Hier wird der Ansatz eines Digitally Supported Coachings (DSC) vorgestellt, bei dem Kommunikationsdaten von Videokonferenzen in visualisierter Form zum supportiven Teamcoaching genutzt werden können. Erste Ergebnisse der wissenschaftlichen Evaluierung dieses Ansatzes zeigen, dass die grafische Aufbereitung der Kommunikationsmuster zu starken Resonanzen in den Teams führen kann – und zu konkreten Erkenntnissen und Veränderungsideen.

Einleitung

Onlinezusammenarbeit ist in den letzten Jahren mehr und mehr zur Normalität geworden: Die Möglichkeit via Homeoffice zu arbeiten wird von vielen Job-Bewerber:innen als selbstverständlich angesehen; regelmäßige Besprechungen über Videokonferenzen sind selbstverständlicher Teil des Arbeitsalltags; und der Begriff der virtuellen Teams ist zum breiten Sprachgebrauch geworden. All das bringt neue Möglichkeiten aber auch neue Herausforderungen für Organisationen. In einem Austausch unter HR-Leiter:innen österreichischer Unternehmen wurden als größte Risiken der Verlust des sozialen Zusammenhalts und der Bindung der Mitarbeitenden zum Unternehmen genannt. Das ist nicht überraschend, wenn doch Onlinekommunikation die so wichtige Beziehungsebene verkümmern lässt -die, wie Watzlawick uns lehrt, die Inhaltsebene der Kommunikation bestimmt (Watzlawick et al., 2011). Wie lässt sich dem begegnen? Welche Möglichkeiten der IT können dabei unterstützen? Diesen Fragen folgend, haben wir aus der Y Unternehmensberatung im Rahmen unserer Forschung an der Universität Wien einen neuen Ansatz enzwickelt und evaluiert: Das Digitally Supported Coaching (DSC). Der Computer mit seiner Fähigkeit (Kommunikations-)Muster zu erkennen und zu visualisieren, wird zum Assistenten der Team Coaches.

Daten sozial wertvoll nutzen – Beziehungsqualität digital verbessern

Denn einen Vorteil hat Onlinekommunikation gegenüber persönlichen Treffen: Es werden Daten generiert, die man nutzen kann. Nun kann man die Anwendung von data science auf unsere Kommunikations-Metadaten aus gutem Grund skeptisch sehen: Das Datensammeln als Beihilfe zum surveillance capitalism (Zuboff, 2023), und soziale Netzwerkanalyse als Instrument, um uns via sozialer Medien zielgenauer zu manipulieren. Man kann sich andererseits aber auch fragen, wie diese Daten zum Nutzen der Beteiligten verwendet werden können. Und dazu gibt es mehrere Ansatzpunkte. Wie das auf gesellschaftlicher Ebene durch eine rechtlich vorgegebene Freigabe (anonymisierter) Daten durch die IT-Konzerne funktionieren könnte, haben zum Beispiel Ramge und Mayer Schönberger in ihrem Buch Machtmaschinen (Ramge & Mayer-Schönberger, 2020) recht konkret durchdacht. Andere haben untersucht, wie man mittels Sozialer Netzwerkanalyse mehr über die Kommunikation von Studierenden über digitale Foren erfahren und so deren Lernprozesse besser unterstützen kann (Zou et al., 2021). Wir an der Fakultät für Informatik an der Universität Wien haben uns gefragt, wie man Teamentwicklung auf Basis der bei Onlinetreffen generierten Daten unterstützen kann. In einem interdisziplinären Ansatz, der die Perspektive des konstruktivistisch-systemischen Coachings (Pavlović, 2021) mit data science zu verbinden sucht. Ein Ansatz, der auf den ersten Blick paradox scheinen mag. Wie sollen kalte Daten die verlorengegangene Wärme einer Beziehungsebene ausgleichen?

Die Kraft der Visualisierung

Visualisierungen des Beziehungsgeflechtes von Teams oder Familien können starke Resonanzen bei den Betrachter:innen auslösen – und in der Reflexion potentiell sehr erkenntnisreich für sie sein. Eine Vielfalt von Ansätzen beruhen darauf: Die Soziometrie, wie sie Moreno initial geprägt hat (Moreno, 1941) siehe auch (Stadler, 2013), hat schon vor dem Einzug der Informatik soziale Systeme in Netzwerkdiagrammen dargestellt; im systemischen Coaching werden auf dem Systembrett oder in Aufstellungsarbeiten (unter anderem) soziale Systeme sichtbar gemacht; und in Gamificationansätzen wie Lego Serious PlayTM können ganze Organisationen mit Legosteinen gebaut werden. Oft mit verblüffendem Effekt: Sachverhalte, die man mit vielen Worten lange nicht auf den Punkt bringen kann, strahlen einen plötzlich in skrupelloser Klarheit an, wenn man sie in passender Form visualisiert.

Kommunikation visualisieren – Muster erkennen

Diese Grundidee liegt unserem sogenannten Digital Support Coaching (DSC) zugrunde. Die Daten aus mehreren Onlinetreffen werden analysiert und visualisiert. Diese werden in einem sogenannten Communication Report zusammengefasst. Einen Auszug daraus zeigt Abbildung 1:

  • Die Interaktionen zwischen den Teammitgliedern werden im Interaction Diagram sichtbar gemacht,
  • der Rythmus der Gespräche geht aus dem Communication Sequence Diagram hervor -herrschen z.B. lange Monologe oder stakkatoartige Interaktion vor,
  • der Airtime Report zeigt die Verteilung der Redezeit,
  • Es können auch qualitative Informationen, wie in diesem Beispiel die Innensicht der Teilnehmenden, als wie konstruktiv und effizient Meetings wahrgenommen wurden, eingeholt werden. Diese werden in Your responses to the questionnaires aggregiert angezeigt.

 

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Abbildung 1: Auszug aus einem Communication Report

So entsteht eine strukturelle Sicht auf die Kommunikation im Team, die, wie sich zeigt, in der Betrachtung einiges an Resonanz auslöst. Diese Resonanz kann Stoff für Reflexion sein, die in einem DSC Raum bekommen. Aus der Sicht eines konstruktivistisch-systemischen Coaches kann das als eine Außensicht auf die Kommunikation im Team gerahmt werden. Diese kann das Team mit den Innensichten abgleichen und seine eigenen Schlussfolgerungen ziehen. Muster und Rollen im Team werden auf diese Weise sicht- und besprechbarer, wie die ersten Erfahrungen im praktischen Einsatz zeigen: Wir haben das DSC in zwei multiple case-studies, einmal im Unternehmenskontext, einmal in der universitären Lehre evaluiert (Spielhofer & Motschnig, 2023) und (Spielhofer & Haselberger, 2023). Mit spannenden Einsichten der Teilnehmenden: Zum Beispiel einer Moderatorin, die anhand der Communicationreports erkennt, dass sie ihrem Chef viel zu viel Bühne gibt und damit zu einer geringen Beteiligung des Teams beiträgt; die Rolle eines kritischen Omegas (Schindler, 1957), die sichtbar -und wertgeschätzt(!) wird; ebenso wie die Reflexion des eigenen monologhaften Kommunikationsverhaltens.

Schlussfolgerungen

Die initiale Evaluierung zeigt ein erstes starkes Indiz, dass diese Form der strukturellen Sicht auf Kommunikation unter den richtigen Rahmenbedingungen wertvolle Unterstützung für die Entwicklung von Teams sein kann, die regelmäßig per Videokonferenzen zusammenarbeiten. Sie lässt sich einfach und praktikabel durch die IT generieren und wird mittlerweile auch schon von anderen Forschenden und Lehrenden eingesetzt. Der Ansatz lässt noch weitere Möglichkeiten zu, die erforscht werden können. Mittels der Sozialen Netzwerk Analyse können die Teampositionen, also wie zentral eine Person im Team ist, nach verschiedenen Gesichtspunkten und Metriken quantifiziert werden. So kann z.B. verfolgt werden, wie Teammitglieder über die Zeit besser integriert werden. Das kann in Zusammenhang mit kultur- und genderspezifischen Aspekten gesetzt werden. Weiters können auch Zusammenhänge zur Gruppenintelligenz gezogen werden: Der Grad der Symmetrie des Austausches miteinander („conversational turn taking“) ist der stärkste Einflussfaktor für Gruppenintelligenz, wie sowohl eine großangelegte Studie amerikanischer Universitäten (Woolley et al., 2010) als auch das Google Aristotele-Projekt (Duhigg, 2016) gezeigt haben. Wie ausgeglichen dieses „conversational turn taking“ einer Gruppe ist, wird im Interaktionsdiagram sichtbar. Damit entsteht auch eine Basis, um in Teams zu reflektieren, wie die eigene Gruppenintelligenz gesteigert werden kann.

Referenzen

  • Duhigg, C. (2016). What Google learned from its quest to build the perfect team. The New York Times Magazine, 26(2016), 2016.
  • Moreno, J. L. (1941). Foundations of sociometry: An introduction. Beacon House. https://ubdata.univie.ac.at/AC11980345
  • Pavlović, J. (2021). Team Coaching Psychology: Toward an Integration of Constructivist Approaches. Journal of Constructivist Psychology, 34(4), 450–462.
  • Ramge, T., & Mayer-Schönberger, V. (2020). Machtmaschinen: Warum Datenmonopole unsere Zukunft gefährden und wie wir sie brechen. Murmann Publishers GmbH.
  • Schindler, R. (1957). Grundprinzipien der Psychodynamik in der Gruppe. Psyche, 11(5), 308–314. Spielhofer, T., & Haselberger, D. (2023). Using digitally supported communication analysis to facilitate constructive discourse in educational Courses. In T. Bastiaens (Ed.), EdMedia + Innovate Learning 2023 (pp. 44–53). Association for the Advancement of Computing in Education (AACE). https://www.learntechlib.org/p/222481
  • Spielhofer, T., & Motschnig, R. (2023). Developing Teams by Visualizing Their Communication Structures in Online Meetings. Multimodal Technologies and Interaction, 7(10), 100. https://doi.org/10.3390/mti7100100
  • Stadler, C. (Ed.). (2013). Soziometrie: Messung, Darstellung, Analyse und Intervention in sozialen Beziehungen. Springer Fachmedien Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-531-18981-9
  • Watzlawick, P., Bavelas, J. B., & Jackson, D. D. (2011). Pragmatics of Human Communication: A Study of Interactional Patterns, Pathologies and Paradoxes. W. W. Norton. https://books.google.at/books?id=YcBUAgAAQBAJ
  • Woolley, A. W., Chabris, C. F., Pentland, A., Hashmi, N., & Malone, T. W. (2010). Evidence for a Collective Intelligence Factor in the Performance of Human Groups. Science, 330(6004), 686–688. https://doi.org/10.1126/science.1193147
  • Zou, W., Hu, X., Pan, Z., Li, C., Cai, Y., & Liu, M. (2021). Exploring the relationship between social presence and learners’ prestige in MOOC discussion forums using automated content analysis and social network analysis. Computers in Human Behavior, 115, 106582. https://doi.org/10.1016/j.chb.2020.106582 Zuboff, S. (2023). The age of surveillance capitalism. In Social Theory Re-Wired (pp. 203–213). Routledge.

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