Verbesserte Behandlungsqualität und Patientensicherheit durch Bias-Awareness und patientenorientiertes Entscheiden

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PATIENTENSICHERHEIT, BIAS AWARENESS, HEURISTIK, SALUTOGENE KOMMUNIKATION,, BEHANDLUNGSQUALITÄT, PATIENTENORIENTIERTE KOMMUNIKATION, GENESUNGSFÖRDERNDE KOMMUNIKATION, NOCEBO, PLACEBO, PATIENTENORIENTIERTE AUFKLÄRUNG, PATIENTENORIENTIERTES ENTSCHEIDEN

von Dr. sc. ETH  Peter KrummenacherGründer brainability & Dr.  phil. Franziska Hofer (Kooperationspartnerin & Gründerin HF Partners)

Riesiges Sparpotential durch Vermeidung unerwünschter Ereignisse im Gesundheitssektor

Wussten Sie, dass selbst in hochentwickelten Gesundheitssystemen schätzungsweise jeder Zehnte Krankenhauspatient ein gravierendes unerwünschtes Ereignis erlebt (Härtel, 2021)? Noch höher sind die Zahlen für den ambulanten Sektor. Schätzungsweise ein Fünftel aller Behandelten erlebt dort einen Behandlungsfehler (Quelle: OECD).

Ungefähr 15 Prozent aller Krankenhausaktivitäten und -ausgaben sind eine direkte Folge unerwünschter Ereignisse (Slawomirski, 2017). Diese Mehrkosten lassen sich berechnen. Eine Überblicksstudie zu Europa bezifferte die Kosten für den öffentlichen Gesundheitssektor auf Beträge zwischen 2.8 und 84.6 Milliarden Euro (Zifkovits, 2016). Durch mangelnde Patientensicherheit bedingte Verluste machen bis zu 3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (Slawormirski, 2017) in entwickelten Industriestaaten aus.

Und ein Grossteil davon wäre vermeidbar, denn viele dieser unerwünschten Ereignisse gehen auf falsche Annahmen und menschliche Denkfehler (Bias) zurück. Tatsächlich lassen sich bis zu 75% der Fehler in der Inneren Medizin auf kognitive Ursachen (Bias) zurückführen (Graber et al., 2005).

Hohe Patientensicherheit als Produkt von Entscheidungsqualität und patientenorientierter Kommunikation

Neue technologische Möglichkeiten, wachsende Komplexität in der Patientenbehandlung, schnelle Erkenntnisfortschritte und steigender Kostendruck erfordern ein neues differenziertes Kosten-Nutzen Bewusstsein aller Beteiligten, um eine hohe Behandlungsqualität zum Wohle des Patienten zu gewährleisten.

Ein wesentlicher Bestandteil der Behandlungsqualität ist die Sicherstellung der Patientensicherheit. Patientensicherheit beginnt bereits vor der Behandlung beim ersten Kontakt mit dem Patienten, wenn es darum geht, eine vertrauensvolle Beziehung aufzubauen, die Krankheitssymptome einzuordnen und dem Patienten daraus abgeleitete erste Diagnosen und Behandlungsvorschläge zu kommunizieren.

Bis zur ersten Behandlung werden viele wegweisende Entscheidungen gefällt und kommuniziert, sowie entsprechende Erwartungshaltungen erzeugt; z.B. welchen Symptomen im Anamnesegespräch mehr oder weniger Aufmerksamkeit geschenkt wird, welche zusätzlichen Untersuchungen und Behandlungen in die Wege geleitet werden, ob weitere Spezialisten hinzugezogen werden oder wie über Risiken und Nebenwirkungen sowie Nutzen und Chancen aufgeklärt wird.

Bei hohem Zeitdruck und Stress übernimmt der unbewusste Autopilot

Viele dieser Entscheidungen müssen unter Zeitdruck oder in stressigen Situationen gefällt werden. In solchen Situationen greift unser Gehirn auf unbewusste Faustregeln (Heuristiken) zurück, die effizient sind und komplexitätsreduzierend wirken. Häufig führen diese Faustregeln zu guten Ergebnissen. Allerdings wird unser Gehirn dadurch in komplexen und mehrdeutigen Situationen anfällig für Verzerrungen (Bias) und Vorurteile wie z.B. bei der Verschreibung von Schmerzmitteln (Keister et al., 2021).  Experten und Laien sind von solchen Verzerrungen im „Autopilotmodus“ gleichermaßen betroffen. Wissen um die Vor- und Nachteile von Heuristiken sowie das bewusste Reflektieren reduzieren solche Verzerrungen und erhöhen die Patientensicherheit. Zusammen mit einer patientenorientierten Kommunikation und patientenorientierte Aufklärung ermöglicht dies eine verbesserte Gesamtbehandlungsqualität zum Wohle des Patienten.

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Literatur und weiterführende Referenzen

  • Bornstein, B.H., & Emler, A.C. (2001). Rationality in Medical Decision Making: A Review of the Literature on Doctors‘ Decision-Making Biases. Journal of Evaluation in Clinical Practice, 7(2), 97-107. doi: 10.1046/j.1365-2753.2001.00284.x.
  • Brewer, N.T., Chapman, G.B., Schwartz, J.A., Bergus, G.R. (2007). The influence of irrelevant anchors on the judgments and choices of doctors and patients. Medical Decision Making, 27(2), 203-11. doi: 10.1177/0272989X06298595.
  • Graber, L., Franklin,  N., Gordon, R. (2005). Diagnostic error in internal medicine. Archives of  Internal Medicine, 165, 1493–1499.
  • Härtel, I. (2021). Ökonomie und Sicherheit – warum Patientensicherheit ökonomisch sinnvoll ist. In Hecker, R. (Ed.). (2022). Risiko-und Sicherheitskultur im Gesundheitswesen. MWV.
  • O’Sullivan, E.D., Schofield, J. (2019). Cognitive bias in clinical medicine. The Journal of the Royal College of Physicians of Edinburgh, 48(3), 225-232. doi: 10.4997/JRCPE.2018.306. PMID: 30191910.
  • Kahneman, D. (2011). Thinking, Fast and Slow. London: Allen Lane, 2011.
  • Kahnemann, D. (2021). was unsere Entscheidungen verzerrt – und wie wir sie verbessern können. 1. Auflage. München: Siedler.
  • Keister, L.A., Stecher, C., Aronson, B. et al. (2021). Provider Bias in prescribing opioid analgesics: a study of electronic medical Records at a Hospital Emergency Department. BMC Public Health, 21, 1518. doi.org/10.1186/s12889-021-1155
  • Krummenacher, P(2018). Placeboanalgesie und Nocebohyperalgesie – Mechanismen und gesundheitsförderndes Potenzial. Schweizer Zeitschrift für Psychiatrie & Neurologie.
  • Saposnik, G., Redelmeier, D., Ruff, C.C., Tobler, P.N. (2016). Cognitive biases associated with medical decisions: a systematic review. BMC Medical Informatics and Decision Making. 16(1). doi: 10.1186/s12911-016-0377-1.
  • Slawomirski, L., Auraaen, A., & Klazinga, N. S. (2017). The economics of patient safety: strengthening a value-based approach to reducing patient harm at national level.
  • Stiegler, M.P., Neelankavil, J.P., Canales, C., Dhillon, A. (2012). Cognitive errors detected in anaesthesiology: a literature review and pilot study. British Journal of Anaesthesia,108(2), 229-235. doi: 10.1093/bja/aer387
  • Zsifkovits, J., Zuba, M., Geißler, W., Lepuschütz, L., Pertl, D., Kernstock, E. M., & Ostermann, H. (2016). Costs of unsafe care and cost effectiveness of patient safety programmes. Gesundheit Österreich Forschungs- und Planungs GmbH.
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About Author

Dr. sc. ETH Peter Krummenacher | Systemischer Berater & Organisationsentwickler, Coach für Neuorientierung, Potenzialentfaltung & Leadership, Neurowissenschaftler, Innovateur, Talententwickler, Placebo-Nocebo & Mind-Body Forscher | Keynote Speaker | www. brainability.ch

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